Lange Nacht der Museen 2002

16. März 2002

19 - 3 Uhr

Ausstellung: Andrea Niessen
Musik von und mit Matthies Andresen, am Saxophon Sandra Leonie Ritter


Zur Langen Nacht der Museen 2002 zeigte raum 2 Arbeiten der Kiwanis- und Weldepreisträgerin Andrea Niessen. In Objekten aus Seife, menschlichem Haar und Latex - organischen Materialien, die ganz subtil wie auch provozierend den Körper in seiner Verletzbarkeit thematisieren - setzt sich die Künstlerin mit Raum-Körper-Beziehungen auseinander. Jeder Körper verfügt über eine Hülle, die seine leibliche Identität gegenüber dem Außen abgrenzt und zugleich die Berührungsfläche darstellt, über die der Körper mit der Umwelt in Kontakt tritt. Die Körperoberfläche als schützende Grenze erweist sich dabei immer wieder als problematisch. Sie birgt nicht nur die Chance der Berührung und Kontaktaufnahme, sondern auch stets die Gefahr der Verletzung, der Grenzüberschreitung, im physischen wie psychischen Sinne. Für ihre Kunstwerke aus menschlichem Haar sucht Andrea Niessen Friseure auf, um dort die über den Tag angefallenen Haarreste einzusammeln, aus denen sie ihre fragilen Kunstgebilde erschafft. Die Künstlerin verwendet Haar als skulpturales Material und erforscht seine taktilen Qualitäten und symbolischen Assoziationen. Ihr Interesse gilt dem emotional wie geistig irritierenden Spiel mit Außen und Innen, Intimität und Öffentlichkeit, Abgrenzung und Grenzüberschreitung. Andrea Niessen aktiviert die kulturellen wie biographischen Erinnerungsschichten des Betrachters - und die Assoziationen sind ebenso vielfältig, wie die Gefühle der Betrachter - von Ekel bis hin zu erotischen Phantasien. Obgleich die Struktur des Haares immer wieder auf einen anderen Menschen verweist steht weder die Identifikation mit dem einzelnen Individuum noch die Konnotation mit einer bestimmten Bedeutungsebene im Vordergrund, vielmehr die Universalität. Aus Seife gegossene "Hände" verweisen ebenso wie die "Seifenhäuser" oder die Arbeit "surface" - mittels Latex abgenommene Strukturen von Bäumen - auf Körpergrenzen. Aufgrund der häutigen Konsistenz der Oberflächenstukturen und oder ihrer Pigmentierung rekurrieren die Objekte immer wieder auf Haut als menschlicher Körperhülle und thematisieren damit die Erfahrung leiblicher Be- und Entgrenzung.




In der Installation Klang-Raum-Klang des Mannheimer Komponisten und Musikers Matthies Anderesen, wurde die Verletzlichkeit toter Gegenstände akustisch demonstrierte - elektronisch gesteuerte Lautsprecherklänge von einst unversehrten und dann zerbrochenen oder zerbrechenden Dingen. Aus vier im Raum positionierten Lautsprechern waren ähnliche Klänge zu hören. Dabei kamen aus 2 Lautsprechern Klänge zerbrochener oder zerbrechender Gegenstände. Aus den beiden anderen Lautsprechern waren analog Klänge der Gegenstände zu vernehmen, als sie noch ganz waren... Diese Klänge wurden, sich ständig wiederholend, phasenverschoben abgespielt, so daß sich im Verlauf des Abends eine ständige Entspannung und Spannung der Zusammenklänge bildete. Der Name der Installation bezieht sich dabei auf den Raum der Galerie, welcher ebenfalls aus zwei getrennten Ebenen besteht: RAUM 2. Somit wurde aus den zwei architektonischen Räumen ein Klangraum, dessen Existenz jedoch einem ständigen Wandel unterzogen war. "Dekonstruktivistisch" auch die Komposition "sunufatarungo" für Altsaxophon, live gespielt von der Saxophonistin Sandra Leonie Ritter begleitet von einem elektronischen Saxophonensemble unter liveelektronischer Leitung von Matthies Andresen. In raum 2 zu hören war die dreiteilige Fassung mit den Satzbezeichnungen 1) ruhig 2) molto lyrico - allegro grazioso 3) brutal. Als elektronisches Material wurden Saxophonklänge aufgenommen und elektronisch verarbeitet, woraus ein elektronisches Saxophonensemble entstand. Das Saxophon spielt zu Beginn der Komposition Melodienverläufe, die dann von Slaptongue und Multiphonics bis zum Ende hin immer mehr zerstört werden. Übrig bleiben nur noch Spaltklänge. Dabei vollzieht sich in der gesamten Komposition eine Entwicklung vom Heilen und Ganzen hin zum Beeinflußten und Zerstörten, was sich zudem in einer entstehenden räumlichen Trennung weg vom Menschen (untere Ebene) hin zur Technik (Empore) widerspiegelt.