< michael scheibel "das jenseitige diesseits"
videoinstallation / one night event 10.07. + 11.07.1999

Rahmen und gleichzeitig Zentrum der Veranstaltung war eine gleichnamige Installation, in der per Videoprojektion der raum2 in einen virtuellen Himmelsraum verwandelt wurde. Der eintretende Besucher lief auf eine ziehende Wolkenbank zu und wird sich zugleich durch eine
Closed-circuit-Installation medial im Himmel wiederfinden: eine mediale Vision des Jenseits im
Diesseits des raum2.
In Lesungen von Martin Wetz und Musikdarbietungen von Robert Scheibel und der Gruppe "Les Trixteurs" wurde das Veranstaltungsthema durch Wort und Klang komplementiert. Ein diesseitges chill-out mit DJ Christine und DJ Timm beendete den Abend.



Der diesseitge Raum.
Der diesseitge Raum ist homogen. Jeder Ort im homogenen
Raum ist neutral. Aus der Struktur des homogenen Raums
ergibt sich keine qualitative Differenzierung. Dieser Relativität
des Raums entgegnet der Mensch. Für den Menschen ist
der Raum inhomogen. Er enthält qualitativ verschiedene Teile.
Der inhomogene Raum weist Brüche auf. Der Bruch im Raum
ermöglicht die Konstituierung eines festen Punktes, eines
Zentrums, durch den der grenzenlose homogeneRaum eine
Orientierung bekommt. Das Zentrum des Raums ist ein qualitativ
höherwertiger Ort, in dem eine Verbindung zum Jenseits existiert.
Das Zentrum ist eine Durchbrechung des Diesseits zum Jenseits.
Der am Zentrum orientierte, strukturierte, feste, wirkliche Raum ist
der heilige Raum, ist der Kosmos. Ihm Gegenüber steht der
amorphe Raum ohne Strukturen, der profane Raum, das Chaos.


Der jenseitge Raum.
Der jenseitige Raum gründet die Welt. Er greift auf das
Diesseits über. Durch die Manifestation des Heiligen im
Zentrum des Diesseits wird ontologisch die Welt
geschaffen. Die Konstruktion des heiligen Raums hat
weltschöpferische Bedeutung. Der Kosmos offenbart die
Modalitäten der Welt und des Seins.



Der transitorische Medienraum.
Die Konstitution des heiligen und profanen Raums bedarf
der Kommunikation. Sie ermöglicht die Bildung eines
Konsenses. Der Konsens über die Orientierung des Raums
an ein Zentrum, der Konsens über den Kosmos im
Gegensatz zum Chaos, der Konsens über das Jenseits,
das die Welt gründet, es ist ein Konsens, der über
Kommunikationsprozesse gebildet wird. Text, Bild,Klang
sind Medien im Kommunikationsprozess. Die Medien
geben die sprachlichen, visuellen und auditiven Strukturen
für jedweden kommunikativen Austausch von Informationen.
Die Medien sind damit für die Weise der Konstruktion und
Konstitution des Raums maßgebend. Gleichzeitig bilden sie
einen eigenen Raum für Informationsbewegungen: einen
transitorischen Medienraum als integraler Bestandteil des
jensetigen und diesseitigen Raums.

Text und Einführung: Carmen Beckenbach